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Artikel / Berichte

Auf der Suche nach dem perfekten Standarddeck: Engines
Magic Karten Beobachtungsliste 
Henning Kurella
31.05.2013
Diese Woche möchte ich mit Euch über die „Engine“ eines Decks reden. Was ist das und wozu braucht man es?
Hallo liebe Leser,

heute soll es also um den Motor (englisch: Engine) eines Decks gehen. Alleine die Erkenntnis, dass das eigene Deck einen Motor hat, ist keine Selbstverständlichkeit. Nur die Spieler, die ihr Deck genau verstehen, werden es korrekt spielen und mit dem Sideboard richtig arbeiten können. Wer Erfahrung mit Magic hat, wird diese Herzstücke schnell erkennen und diese bewusst oder unbewusst als solche akzeptieren. Egal, ob man nun seit Jahren Magic spielt oder noch relativ neu ist, nach diesem Artikel seid ihr vielleicht ein besserer Spieler.

Zunächst möchte ich auf meine vorhergehenden Artikel verweisen. Dieses ist ein fortgeschrittenes Thema für Leser, die sich schon ein bisschen mehr mit Magic-Theorie befasst haben. Ich empfehle vielleicht die ersten beiden Artikel dieser Serie vorher gelesen zu haben. Wer sich bei Magic aber schon ein bisschen auskennt, wird auch so seinen Spaß und vielleicht auch einen Aha-Effekt haben.


Jetzt müssen wir den Begriff „Engine“ aber auch genauer definieren, wobei es nicht leicht ist, diesen eigentlich recht abstrakt verwendeten Begriff festzunageln. Der Motor eines jeden Objektes ist ja zunächst für die Umwandlung und Bereitstellung von Energie zuständig. Gute Motoren haben einen hohen Wirkungsgrad, so wie gute Autos wenig verbrauchen oder viel Power haben. Wer achtet beim Ferrari auf den Benzinverbrauch? Und wer schaut beim Smart auf die Höchstgeschwindigkeit und die Beschleunigung? Das liegt der Engine in unseren Decks gar nicht mal so fern. Die Engine eines Decks ist also die Gesamtheit der Karten die entweder Tempo oder Kartenvorteil erzeugen. Eine gute Engine sorgt für Kartenvorteil oder Lebenspunktezugewinn oder Tempo oder irgendeine Kombination davon. Andere Kombinationen sind denkbar, aber weniger sinnvoll. Die Engine eines Decks macht das Deck erst zu einem starken Deck. Ohne die Engine ist das Deck einfach nur ein Haufen Karten.

Nehmen wir zum Beispiel ein Deck aus 23 Ländern, Grizzly Bears, Centaur Courser und sonstigen effektlosen Kreaturen. Die Engine dieses Decks ist entfernt vielleicht noch die Manabasis aus der Gesamtheit der Länder. Für unseren Zweck könnte man aber sagen, dass dieses Deck überhaupt keine Engine hat. Eigentlich kann man das Deck durch Austauschen von Karten nur besser machen.

Zum Vergleich betrachten wir nun das Reanimatordeck. Die Engine des Decks ist leicht zu erkennen. Mulch und Grisly Salvage füllen den Friedhof mit dicken Kreaturen und geben einem nützliche Karten für das frühe Spiel in die Hand. Unburial Rites holt die Fatties aus dem Friedhof zurück ins Feld und gewinnt das Spiel durch eine besondere Art von Tempo (Craterhoof Behemoth) oder Kartenvorteil (Angel of Serenity). Auch wenn das Sideboard gewisse Optionen bietet, möchte man auf den Reanimatorplan nie völlig verzichten. Ohne die Engine ist Reanimator einfach nur ein mäßiges Mittelstreckendeck.


3 Angel of Serenity
3 Centaur Healer
2 Craterhoof Behemoth
3 Lotleth Troll
4 Restoration Angel
4 Thragtusk
1 Obzedat, Ghost Council
1 Cavern of Souls
1 Gavony Township
2 Godless Shrine
2 Isolated Chapel
4 Overgrown Tomb
4 Sunpetal Grove
4 Temple Garden
4 Woodland Cemetery
1 Vault of the Archangel
4 Grisly Salvage
2 Lingering Souls
3 Mulch
4 Unburial Rites
4 Avacyn's Pilgrim


Sideboard:

3 Acidic Slime
3 Deathrite Shaman
1 Rhox Faithmender
3 Abrupt Decay
2 Tragic Slip
1 Obzedat, Ghost Council
2 Sever the Bloodline


Als Nächstes betrachten wir UWR-Flash, ein Deck, welches ich selbst lange Zeit gespielt habe. Die Engine des Decks besteht aus Augur of Bolas und Snapcaster Mage, die im frühen Spiel bereits ein wenig Kartenvorteil verschaffen. Restoration Angel verfeinert diesen Ansatz dadurch, dass man die Erstgenannten „flickern“ und deren Effekt noch einmal wiederverwerten darf. Am Ende des Deckplans steht Sphinx's Revelation, mit der man den kleinen Kartenvorteil massiv ausbauen kann und ganz nebenbei noch Leben erhält. Wer das Deck schon mal gespielt hat, wird wissen, dass es quasi sinnlos ist, die genannten Karten durch andere aus dem Sideboard zu ersetzen. Aber es gibt auch erfolgreiche Decks, die nur einen kleinen Teil dieser Engine spielen, oder? Das ist aber nicht zu verwechseln mit den UWR-Tempo-Decks, die eher von Geist of Saint Traft angetrieben werden. Meine Liste hatte diesen Tempoplan im Sideboard, den man gegen Kontrolldecks, aber auch gegen andere Decks einbauen konnte, wenn man anfing. Da wird dann absichtlich der Motor des Decks getauscht, um den Gegner zu überraschen!


4 Boros Reckoner
4 Azorius Charm
3 Sphinx's Revelation
1 Izzet Charm
3 Searing Spear
4 Augur of Bolas
3 Restoration Angel
4 Sulfur Falls
3 Clifftop Retreat
3 Snapcaster Mage
4 Glacial Fortress
4 Hallowed Fountain
4 Steam Vents
1 Plains
1 Mountain
1 Island
2 Sacred Foundry
3 Thought Scour
1 Harvest Pyre
1 Counterflux
1 Supreme Verdict
1 Unsummon
1 Syncopate
2 Mizzium Mortars
1 Slayers' Stronghold


Sideboard:

3 Geist of Saint Traft
2 Jace, Memory Adept
1 Counterflux
1 Negate
2 Tormod's Crypt
2 Supreme Verdict
2 Boros Charm
1 Clone
1 Urgent Exorcism


Das nächste Beispiel ist Naya-Blitz. Auch dieses Deck hat sehr wohl eine Engine, auch wenn man sie nicht sofort erkennen kann. Experiment One und Champion of the Parish sind die Karten, die man mit dem Blitz-Deck im ersten Zug legen möchte, damit diese im zweiten Zug durch Burning-Tree Emissary und Konsorten wachsen können. Ebenjene drei Karten sind das Herzstück. Auch wenn es für die anderen Karten wenig Alternativen gibt, gehören diese nicht zur Engine des Decks. In den letzten Monaten wurde Blitz in den verschiedensten Varianten gespielt. Boros Elite wurden ausgelassen, Flinthoof Boar durch Hamlet Captain ersetzt. Thalia wurde ins Hauptdeck verlegt und Mayor of Avabruck wurde entfernt. Die Zahl der Ghor-Clan Rampager stieg und sank. Was immer blieb, war die genannte Engine. Nie wurde auf den Champion oder den Emissary in diesem Archetyp verzichtet.


4 Cavern of Souls
4 Temple Garden
4 Stomping Ground
4 Sacred Foundry
3 Sunpetal Grove
1 Rootbound Crag
4 Experiment One
4 Champion of the Parish
4 Boros Elite
4 Mayor of Avabruck
4 Flinthoof Boar
4 Lightning Mauler
4 Burning-Tree Emissary
4 Frontline Medic
1 Ghor-Clan Rampager
4 Searing Spear
3 Giant Growth


Sideboard:

3 Thalia, Guardian of Thraben
2 Gruul Charm
2 Fiend Hunter
3 Boros Charm
3 Pacifism
2 Nearheath Pilgrim


Wie sieht es mit anderen Decks aus? Es ist oft nicht so leicht zu sagen, welche Karten zur Engine gehören, wenn man das Deck selbst noch nicht gespielt hat. Gruul auf der Aggro-Mittelstrecke hat sicherlich eine Engine aus Burning-Tree Emissary, Domri Rade und Gyre Sage. Jund baut eher auf Arbor Elf, Farseek und Huntmaster of the Fells. Hier wird es aber für mich schon sehr schwer zu definieren, ob Jund nicht vielleicht sogar doppelmotorig läuft und man eine Discard-Engine (Liliana und Rakdos's Return) von einer Controlengine, die aus Manaramp und aggressiven Stabilisatoren wie Thragtusk und Huntmaster besteht, trennen sollte. Diese Frage müssen die Jund-Spieler wahrscheinlich für sich selbst klären. Wenn ihr also einen Problemgegner habt, wechselt doch mal mit eurem Gegner das Deck und spielt es selbst. Meist erkennt man dann sehr schnell die Engine und die Schwachstellen des vermeintlich unbesiegbaren Decks.

Wir haben nun also den Begriff der Engine, des Motors, des Herzens eines Decks erläutert. Was lernen wir denn nun aber daraus? Punkt 1 ist die Erkenntnis an sich. Jeder von uns hat schon mal ein Deck konstruiert. Habt ihr dabei an einen Motor gedacht, als ihr synergetische Karten zusammen geworfen habt? Restoration Angel und Thragtusk mögen zwar sehr stark zusammen wirken, aber eine Engine ist das noch nicht. Habt ihr schon mal für ein FNM oder ein größeres Turnier eine Deckliste kopiert? Wie ist es euch ergangen? Habt ihr das Sideboard verstanden? Wusstet ihr immer, welche Karte ihr gerade ausspielen solltet? Klar sind das Fangfragen, denn auch mit einem selbst gebauten Deck sind einige der Antworten unklar. Aber nachdem wir so viel über Motoren geredet haben, habt ihr sicher einen Eindruck, warum das gedankenfreie Kopieren eines Decks mit vielen Nachteilen und Schwierigkeiten verbunden ist. Jeder hat sich schon mal umgeschaut, wenn er an seinem Gebräu nicht mehr weiter wusste, und hat sich Ideen von anderen „geliehen“. Das ist in Magic keine Schande wie ich finde, denn es geht eher darum das Deck zu spielen und zu modifizieren. Motoren wurden zur Genüge erfunden und es ist schwer einen guten Motor zu erfinden, den nicht schon jemand anders vor einem gespielt hat. Aber das nächste Mal, wenn ihr ein neues Deck anfasst, macht euch vorher Gedanken, welche Karten wohl zu dem Motor des Decks gehören. Dann wird das Spiel und das Sideboard um einiges leichter zu verstehen. Welche Motoren gefallen euch? Welchen Spielstil habt ihr?

Gibt's noch weitere Lehren, die wir daraus ziehen können? Klar! Spielt man selbst ein eher kontrollierendes Deck oder ist man der Verteidiger in einer Partie (hier wieder der Verweis), so ist es wichtig zu erkennen, wie die Engine des Gegners aussieht. Angenommen ich spiele das UWR-Deck und mein Gegner ist Naya-Blitz, dann habe ich aus der Erkenntnis über die gegnerische Engine die Information herausgearbeitet, dass ich Experiment One und Champion of the Parish auf jeden Fall loswerden muss, um die Engine des Gegners zu kippen. Zugegeben, das ist nicht gerade eine geniale Erleuchtung, weil es doch offensichtlich ist, dass der Champion ein echtes Problem werden kann. Mit Azorius Charm und Augur of Bolas für das frühe Spiel kann man den Champion sicherlich gut handhaben, während die anderen 1/1- und 3/3-Kreaturen zunächst geblockt und geduldet werden können. Spiele ich den Reanimator gegen ein JundMidrange-Deck und finde in der Hand meines Gegners durch einen Sin Collector ein Farseek und ein Dreadbore, so ist die Entscheidung nicht leicht. Dreadbore ist eine Gefahr für meine nächste Kreatur, schlimmstenfalls für einen Angel of Serenity. Mit dem Wissen über die gegnerische Engine würde ich mich aber in fast jedem Fall für Farseek entscheiden, damit Jund mich nicht mit einer zu großen Manabasis überrumpeln kann. Spätestens nach dem Sideboard ist meine Engine oft auch auf Landzerstörung durch Acidic Slime und Restoration Angel ausgelegt. Mit dem Gedanken an den Motor des Gegners ist Farseek hier also meist das bessere Ziel!


Mir selbst hat diese nicht selbstverständliche Erkenntnis schon viele Siege und ein besseres Gefühl für den Deckbau gegeben. Klar ist es eigentlich offensichtlich, dass jedes Deck ein Herzstück hat. Ich glaube, ich habe hier kaum einem etwas völlig neues erzählt. Worum es mir geht ist, dass ihr bewusst erkennt, welche Engine ihr spielt und welche euer Gegner.

In Magic gibt es wenige absolute Aussagen. Wie wir weiter oben auch über Farseek und Dreadbore diskutiert haben, sind viele Entscheidungen in Magic weder leicht, noch offensichtlich. Häufig müssen wir uns mit einer Einschätzung zufriedengeben, die da heißt: „In mehr als fünfzig Prozent der Fälle ist diese Entscheidung gut.“ Wir schätzen. Absolute Gewissheit können wir nicht haben, weil wir nicht wissen, was wir als Nächstes ziehen. Wir können nur davon ausgehen, dass gewisse Karten zu gewisser Wahrscheinlichkeit in der gegnerischen Hand oder oben auf unseren Bibliotheken liegen (mein Artikel über Kartenglück). Die Akzeptanz des Motors eines Decks hilft uns bei solchen Entscheidungen oft, sodass wir häufiger mehr aus unserem Deck herausholen, als wenn wir entgegen dieses Grundprinzips arbeiten. Die guten Magier sind nicht immer vorne dabei, aber häufiger als andere!

Ich hoffe euch hat dieser etwas philosophische Artikel gefallen und er wird euch das ein oder andere Spiel gewinnen. Ich würde mich freuen, wenn ihr Kommentare hinterlasst oder Likes für diese Seite verteilt. Vielen Dank im Voraus und viel Spaß an unserem gemeinsamen Hobby!

Henning